Zeitliche Entgrenzung der Arbeit
Dank der elektronischen Medien sind inzwischen 84% der Beschäftigten für den Arbeitgeber auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar, die Mehrzahl davon jederzeit. Die ständige Erreichbarkeit wird von Führungskräften, die von diesem Phänomen besonders betroffen sind, inzwischen als ihr größter Stressfaktor betrachtet – noch vor Zeitdruck und langen Arbeitszeiten. Offenbar gelingt es vielen Betroffenen nicht, sich im Privatleben gedanklich völlig vom Arbeitsplatz mit dessen Problemen zu lösen. Dadurch wird der Erholungswert der Freizeit deutlich eingeschränkt.
Einige große Konzerne haben das Risiko für die Gesundheit ihrer Beschäftigten erkannt und lassen inzwischen eine halbe Stunde nach Feierabend den Mailserver abschalten, so dass Beschäftigten gar nicht erst in die Versuchung kommen, ihre E-Mails am Abend zu beantworten. Dieses vorausschauende Verhalten ist aber bislang nicht die Regel.
Die ständige Präsenz der Arbeit kann das Familienleben stark beeinträchtigen: Durch geplante und ungeplante zeitliche Belastungen des Berufs werden bei immerhin 30% der Beschäftigten mehrmals im Monat (bis hin zu mehrfach in der Woche) familiäre Aktivitäten gestört. Dies ist für die Erholung fatal: Rund die Hälfte der Beschäftigten betrachtet familiäre Aktivitäten als wichtigste persönliche Ressource im Privatleben und besteht auf einer Trennung von Familien- und Berufsleben.
Bei der Bewertung der ständigen Erreichbarkeit spielt offenbar eine große Rolle, ob diese verordnet oder freiwillig stattfindet: Gibt der Arbeitgeber die Erreichbarkeit vor, fühlen sich davon 20% gestört, bei freiwilliger Erreichbarkeit aber nur 6%. Neben der Freiwilligkeit ist die Planbarkeit und Regelmäßigkeit der Arbeitszeit wichtig: Mehrere Untersuchungen zeigen, dass sich bei völlig unregelmäßigen Arbeitszeiten die psycho-vegetativen Beschwerden stark häufen.
Handlungsmöglichkeiten:
Das können Sie konkret tun
Um die Vermischung von Privat- und Berufsleben zu vermeiden, muss die investierte Arbeitszeit in Grenzen gehalten werden. Im Gegenzug müssen Zeiten für das Privatleben erhalten bleiben.
Sollen für die Beschäftigten die positiven Seiten der Flexibilisierung überwiegen, sind primär
- die Freiwilligkeit der flexiblen Arbeit,
- eine inhaltliche Autonomie,
- eine zeitliche Planbarkeit und
- das erkennbare Bemühen des Arbeitgebers wichtig, zusätzliche Belastungen zu minimieren.
All diese Faktoren sind generell ein gutes Mittel, Belastungen am Arbeitsplatz nicht zu einer Beanspruchung werden zu lassen. Zudem darf der Arbeitgeber keine unbegrenzte Erreichbarkeit erwarten – außer diese ist für die Berufsausübung unumgänglich
Doch nicht nur die Arbeitgeber können zur Minimierung der Folgen der Entgrenzung der Arbeit beitragen, sondern auch die Beschäftigten selbst: Sind sie nicht in der Lage, sich selbst optimal zu organisieren, und brauchen sie ständige Anleitung und Kontrolle, so erscheint es fraglich, dass es ihnen gelingt, ihre Arbeitsbelastung selbst in einem tolerablen und nicht gesundheitsschädlichen Bereich zu halten.
Die Flexibilisierung der Arbeit beinhaltet somit für die Beschäftigten – aber auch die Arbeitgeber – Chancen und Risiken. Welche Seite zum Tragen kommt, ist von vielen Faktoren abhängig, die insbesondere der Arbeitgeber beeinflussen kann.